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Ägypten: Der Polizeistaat ist zurück

Das Militärregime ist so repressiv wie nie zuvor. Doch noch gibt es Widerstand. Streifzug durch die ägyptische Zivilgesellschaft, sechs Jahre nach der Revolution

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Andrea Backhaus, Kairo

“Klar sind wir erschöpft”, sagt Ahmed Hassan und nippt an seinem Bier. “Aber wir haben noch immer einen Traum.” Er lässt den Blick durch den spiegelvertäfelten Raum seiner Stammkneipe Horreya in der Innenstadt von Kairo schweifen. Draußen schlendern die Fußgänger durch den warmen Winterabend, drinnen herrscht geschäftiges Gewusel. “Wir glauben noch immer an die Ziele der Revolution.”

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Hassan ist 30 Jahre alt, er trägt einen Hut, weißes Hemd, Jeans. Kürzlich hat er seine Dreadlocks abgeschnitten, weil er damit zu sehr aufgefallen sei. Und auffallen, das wolle er im Moment nicht. Die Zeiten in Ägypten seien düster, sagt er, so düster wie nie zuvor.

Ahmed Hassan ist einer der berühmtesten Revolutionäre vom Tahrir-Platz. Seine Erlebnisse aus der Zeit des Aufruhrs 2011 wurden in der Oscar-nominierten Dokumentation Al Midan (The Square) aufgezeichnet. Sechs Jahre liegt die Revolution zurück. Doch für viele ist Hassan noch immer das Gesicht des Umbruchs. Im Horreya, Treffpunkt von Kairos Intellektuellen und Aktivisten, begrüßen ihn alle mit einem Nicken, junge Männer strömen an seinen Tisch, andere winken von Weitem. Er ist der Held einer zornigen Jugend, die einst eines antrieb: der Wunsch nach einer Zukunft.

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Hassan ist in Shobra aufgewachsen, einem armen Stadtteil von Kairo. Er absolvierte die Schule, fand aber nach seinem Abschluss keine Arbeit. Und war zunehmend wütend darüber, dass Ägypten jungen Menschen keine Chance bot, war angeekelt von der lähmenden Korruption. Hassan wollte ein würdevolles Leben.

Nie wird er Mubaraks Rücktritt vergessen

Deshalb ging er auf den Tahrir, den “Platz der Befreiung”, dorthin, wo alles begann in diesem Jahr 2011, als die Massenproteste in der arabischen Welt die Epoche der Ungerechtigkeit zu beenden schienen. Nie wird er diesen Freitagnachmittag vergessen, sagt er, diesen Moment am 11. Februar 2011, als Ägyptens Langzeitdespot Hosni Mubarak seinen Rücktritt verkündete. Als Frauen und Männer, Studenten und Arbeiter in Freudengeschrei ausbrachen und Hassan mit Tränen in den Augen immer wieder um den Platz rannte. In diesem Moment des Glücks dachte Hassan: Alles wird sich ändern.

Doch es kam anders. Hassan erlebte erst die Härte des nach Mubarak herrschenden Militärrats, dann die Präsidentschaft des Islamisten Mohammed Mursi und schließlich dessen Sturz durch die Armee. Und vor allem: den Aufstieg des einstigen Feldmarschalls Abdel Fattah al-Sissi, der vielen Ägyptern lange wie ein Heiland erschien. Und der mit dem Diktum antrat: Er und seine Armee hätten das Land von dem Terror der Islamisten befreit, einzig das Militär könne Sicherheit und Wohlstand garantieren.

Für viele Aktivisten sieht die Realität unter Sissi anders aus. Genauer gesagt: katastrophal. Dutzende ihrer Freunde sitzen in Haft, weil sie die neuen Herrscher kritisiert haben. Sie erzählen von Folterkellern und permanenter Überwachung, davon, wie Polizisten vor den Cafés in der Innenstadt hielten, um Leute festzunehmen, die angeblich schlecht über den Präsidenten gesprochen hätten. Sie sagen: So schlimm wie jetzt war es noch nie.

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