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Ägyptens Parlament: Vorhang auf für Sisis Marionetten

Ägyptens Staatschef Sisi feiert die erste Sitzung des neu gewählten Parlaments als letzte Etappe auf dem Weg zur Demokratie. in Wahrheit sitzen dort aber nur willfährige Abgeordnete, der Präsident hat freie Hand.

Dreieinhalb Jahre lang waren die mit grünem Leder bezogenen Sitzbänke im Plenarsaal verwaist. Am Sonntag zieht wieder Leben in das Parlament im Herzen Kairos ein. Die 596 Abgeordneten, die bei den ägyptischen Parlamentswahlen Ende vergangenen Jahres einen Sitz ergatterten, kommen zur konstituierenden Sitzung zusammen. Es ist das erste Treffen, seitdem das Verfassungsgericht im Juni 2012 das von den Muslimbrüdern dominierte Parlament auflöste.

 Staatspräsident Abdel Fattah el-Sisi hat diesen Sonntag als letzten Meilenstein auf Ägyptens Weg zur Demokratie gepriesen. Doch Sisis Demokratie trägt immer mehr Züge einer Diktatur. Das zeigt sich auch beim Vergleich mit dem vor dreieinhalb Jahren aufgelösten Parlament – und beim Umgang mit dessen Mitgliedern.

Viele Abgeordnete von einst sind heute entweder auf der Flucht oder im Gefängnis. Einer von ihnen ist der Präsident des damals aufgelösten Parlaments, Saad al-Katatni. Er hat nach Angaben seiner Anwälte in Haft inzwischen rapide an Gewicht verloren und klagt über Misshandlungen.

75 Generäle sitzen im Parlament

In dem Parlament, dem Katatni vorstand, hatten zwar die Islamisten die Mehrheit, aber andere Strömungen – Liberale, Linke, Säkulare, Nationalisten – waren ebenfalls vertreten. Sie konnten ihre Positionen vertreten und Kritik äußern.

In dem Parlament, das sich am Sonntag zum ersten Mal trifft, gibt es keine Opposition, die diesen Namen verdient. Die meisten Abgeordneten hatten im Wahlkampf nur ein Thema: ihre uneingeschränkte Unterstützung für Sisi, der das Land seit dem Militärputsch gegen den frei gewählten, islamistischen Präsidenten Mohammed Mursi im Juli 2013 regiert. Kandidaten, die Kritik an der Machtfülle von Sisi und dem Militär äußerten, wurden in den staatlich gelenkten Medien als Verräter gebrandmarkt.

448 Parlamentssitze gingen an unabhängige Kandidaten. Die meisten von ihnen sind Geschäftsleute mit guten Verbindungen zur Armee, die sich ihr Mandat durch Stimmenkäufe in ihren Wahlkreisen sicherten. 75 Abgeordnete sind im Hauptberuf Polizei- oder Armeegeneräle.

120 Sitze wurden an Kandidatenlisten vergeben. All diese Mandate gingen an die Liste “Aus Liebe zu Ägypten”. Sie wurde vom ehemaligen Geheimdienstgeneral Sameh Seif al-Yazal aufgestellt und trat mit mehreren prominenten Vertretern des 2011 gestürzten Mubarak-Regimes an.

“Wir brauchen einen starken Mann an der Staatsspitze”

Theoretisch wäre “Aus Liebe zu Ägypten” die größte halbwegs homogene Fraktion, die Staatschef Sisi Paroli bieten könnte. Doch ihr Anführer Yazal sagt stattdessen öffentlich, dass er das Parlament für zu mächtig halte.

Zumindest auf dem Papier haben die Abgeordneten nämlich mehr Rechte als je zuvor: Sie können die Regierung per Misstrauensvotum abwählen, den Ausnahmezustand verhängen und anderen Staaten den Krieg erklären. Yazal kritisierte, diese Vollmachten stünden Sisis Macht im Wege, Kommentatoren in staatlichen Zeitungen äußerten sich ähnlich.

 Auch der Milliardär Naguib Sawiris hat über “Aus Liebe zu Ägypten” Gefolgsleute im Parlament untergebracht. Er hat angekündigt, Präsident Sisi auch dann weiter zu unterstützen, wenn dieser Fehler mache. “Wir kämpfen gegen den Terror und befinden uns in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage. Darum brauchen wir einen starken Mann an der Spitze des Staates”, teilte Sawiris mit.

Die erste Sitzungswoche dürfte einen Vorgeschmack auf die zukünftige Rolle des Parlaments liefern. Die Abgeordneten sollen mehr als 240 Gesetze nachträglich billigen, die Sisi in den vergangenen Jahren per Dekret in Kraft gesetzt hatte.

Kurz vor dem fünften Jahrestag des Aufstands gegen den damaligen Diktator Hosni Mubarak bekommen die Ägypter nun das System zurück, das sie damals stürzten: Einen Präsidenten mit weitreichenden Vollmachten, der selbst aus der Armee kommt und sich auf das Militär stützt. Und ein Parlament mit Abgeordneten, die sich nicht als Kontrolleure, sondern als Claqueure des Staatschefs begreifen.

der spiegel

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