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Der grausame Tod des italienischen Studenten in Kairo

                          Von Mareike Kürschner

In Kairo wird die Leiche eines italienischen Doktoranden gefunden. Sie trägt deutliche Folterspuren. Viele vermuten das Regime hinter dem Mord – weil der Student das Militär deutlich kritisierte.

Neun Tage lang wurde der italienische Student Giulio Regeni vermisst. Jetzt wurde der Doktorand in einem Graben bei Kairo gefunden. Sein Leichnam weist zahlreiche Folterspuren auf.

Unter dem Hashtag whereisgiulio versuchten Angehörige und Freunde neun Tage lang, den jungen Mann mit den strubbeligen Haaren und dem schüchtern verschmitzten Lächeln lebend zu finden. Bis sie am 4. Februar die traurige Nachricht erreichte, dass der italienische Student Giulio Regeni tot in einem Straßengraben am Stadtrand Kairos gefunden wurde. An der halb nackten Leiche fanden sich Stichwunden, Verbrennungen von Zigarettenstummeln und Schnitte an Ohren und Nase. Außerdem sei das Opfer mit Schlägen malträtiert worden, stellten die Gerichtsmediziner fest. Die Version von einem Verkehrsunfall, den die ägyptischen Behörden zuerst bekannt gaben, ließ sich nach diesen eindeutigen Folterspuren nicht mehr halten.

Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi und Italiens Premierminister Matteo Renzi versprachen schnelle Aufklärung in dem Fall, der in Italien tiefe Erschütterung hervorrief. Italienische Ermittler flogen nach Kairo, um die Behörden vor Ort zu unterstützen. Man ist bemüht, die guten Beziehungen zwischen den beiden Ländern durch den Mord nicht trüben zu lassen. Doch die Kritik an der Ermittlungsarbeit nimmt zu – und ein Verdacht wird immer häufiger geäußert: Giulio Regeni wurde Opfer des ägyptischen Regimes.

Der 28-jährige Student lebte seit 2015 in Kairo und forschte vor Ort für seine Doktorarbeit, die er an der renommierten Universität von Cambridge in England verfasste. Gegenstand der Arbeit: die Gewerkschaftsbewegung in Ägypten, die seit dem Sturz von Husni Mubarak im Jahr 2011 unter besonderer Beobachtung steht.

Regeni übte Kritik am ägyptischen Präsidenten

Nebenbei veröffentlichte Regeni Artikel in der linken, italienischen Tageszeitung “Il Manifesto”. Seinen letzten Text schickte er kurz vor seinem Verschwinden am 25. Januar, dem fünften Jahrestag des Beginns der Massenproteste auf dem Tahrir-Platz, und kritisierte darin den ägyptischen Präsidenten. Aus Angst vor Repressionen des Regimes schrieb der Student jedoch unter einem Pseudonym. Zuletzt sei er sehr besorgt um seine Sicherheit gewesen, äußerte “Manifesto”-Redakteur Tommaso Di Francesco in einem Leitartikel.

Es scheint, als ob Regenis Angst begründet war. Am Abend des 25. Januars, an dem sich überall in der Stadt wegen des Jahrestages Sicherheitskräfte bewegten, wollen Zeugen gesehen haben, wie ein Ausländer an einer U-Bahn-Station nahe dem Zentrum festgenommen worden sei, berichtet die Zeitung “La Repubblica”. Dabei ist nicht klar, ob es sich um Regeni handelt. Die Polizei behauptet, der Italiener sei nie in ihren Händen gewesen.

Im staatlichen Fernsehen findet der Fall kaum Erwähnung. Die schärfer werdenden, kritischen Töne aus Italien werden heruntergespielt, islamistische Tatmotive bemüht, die Polizei in Schutz genommen: “Wenn die Sicherheitskräfte ihn gekidnappt hätten, würden sie ihn niemals gehen lassen”, sagt Khairy Ramadan, ein bekannter Fernsehmoderator. “Sie würden ihn nie so rauswerfen. Das ist die Arbeit von Kriminellen.”

Allerdings tragen die Umstände seines Verschwindens die Handschrift des Regimes. So sind viele Ägypter in den vergangenen Jahren auf die gleiche Art und Weise verschwunden – in den geheimen Gefängnissen der Sicherheitsbehörden, in denen Folter zur Tagesordnung gehört. Alle anderen Erklärungen für den Mord an Regeni seien “nicht plausibel”, sagt auch Stephan Roll, Ägypten-Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik, gegenüber der “Welt”.

In den sozialen Netzwerken verbreiten sich Bilder von Trauernden vor der italienischen Botschaft in Kairo, die Schilder hochhalten mit den Worten: “Warum tötet ihr Ausländer? Sind wir Ägypter nicht mehr gut genug?” Und auch in dieser Karikatur wird die dramatische Situation unter al-Sisis repressiver Herrschaft thematisiert:

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Seit der Machtübernahme 2013 schürt das Regime ein Klima der Angst – jetzt nicht mehr nur unter ägyptischen Aktivisten, Journalisten und Anwälten, sondern auch unter kritischen Köpfen aus dem Ausland.

Der Aufruf eines Freundes von Regeni auf dem Online-Portal “The Conversation” deutet die besorgniserregenden Entwicklungen im Land am Nil an: “Er ist nur einer von vielen Forschern, die in Ägypten willkürlich festgehalten und auch misshandelt wurden. Als akademische Gemeinschaft haben wir die Pflicht, diese Menschen zu beschützen.” Ein Appell, der nach Verzweiflung klingt – und die Machtlosigkeit gegenüber einem Regime zeigt, das weiterhin Grenzen überschreiten wird, solange es dafür nicht bestraft wird.

                          Von Mareike Kürschner

welt.de

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