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Miese Wahlbeteiligung: Blamage für Ägyptens starken Mann

Von Raniah Salloum

 Die Präsidentschaftswahl in Ägypten soll die Machtübernahme von Abd al-Fattah al-Sisi legitimieren. Doch die Bürger boykottieren die Abstimmung. Nun will das Regime sie an die Urne zwingen. ll

Kairo/Berlin – Die Verzweiflung ist nicht zu überhören. “Ich bin so traurig, die Wahlbüros sind leer”, schluchzt eine Anruferin in einer ägyptischen TV-Sendung. “Ich schneide mir die Pulsadern auf für dieses Land, damit die Leute endlich wählen gehen”, schreit ein TV-Moderator wütend in die Kamera. ll

Es sind Szenen aus dem ägyptischen Fernsehen nach dem ersten Wahltag, zusammengeschnitten als YouTube-Video mit englischen Untertiteln von Ägyptens Revolutionsjugend. Es ist die pure Schadenfreude, die sie über das Debakel von Exfeldmarschall Abd al-Fattah al-Sisi empfinden. ll

Eigentlich sollte die Wahl Abd al-Fattah al-Sisis zum Staatspräsidenten der krönende Abschluss seiner Machtübernahme sein. Im Juli vergangenen Jahres hatte er den islamistischen Präsidenten Mohammed Mursi absetzen und festnehmen lassen. Nun wollte der Ex-Feldmarschall seinen Coup nachträglich an den Wahlurnen legitimieren. Doch der Plan scheiterte. ll

Viele Islamisten und vor allem junge Leute, die Revolutionsjugend, hatten schon vor der Abstimmung einen Boykott angekündigt. Tatsächlich blieben viele Wahlbüros leer, die meisten Ägypter lieber zu Hause. Sisi ist also unbeliebter, als das Regime annahm. ll

Mit verzweifelten Maßnahmen versucht man, die Bürger nun doch noch an die Wahlurnen zu bringen: Spontan wurde den Beamten am Dienstag freigegeben, ein Feiertag ausgerufen, die Wahl erst um ein paar Stunden verlängert und dann um einen ganzen Tag. Christliche und muslimische Vertreter erklären das Abstimmen zur religiösen Pflicht. ll

Bußgeld für Wahlverweigerer

Wer nicht wählen ginge, müsse damit rechnen, umgerechnet bis zu 50 Euro Bußgeld zu zahlen, hieß es von Regierungsvertretern. Für viele Ägypter ist das eine sehr hohe Summe. ll

Das ägyptische Fernsehen, das seit Sisis Machtübernahme den Exfeldmarschall umschwärmt, erfand unterdessen schon einmal Ausreden, warum so wenige abstimmten: Es sei zu heiß, es gebe zu wenige Taxis und Tuk-Tuks, die hätten die Sisi-Gegner absichtlich alle gekapert. ll

Zwar ist Sisis Sieg bei der Wahl sicher – er hat keine ernsthaften Herausforderer, Kritiker werden weggesperrt, Ägyptens Establishment wirft sich für ihn in die Bresche. Aber Sisi hatte zuvor selbst betont, wie wichtig die Wahlbeteiligung sei – nur wenn “100 Prozent” der Wähler an die Urnen gingen, sei die Wahl ein Erfolg. ll

Sisi fühlte sich zu sicher

Lange hatte der Exfeldmarschall sich geziert, offiziell seine Kandidatur auszurufen. Erst als er überzeugt war, genügend Rückhalt in der Bevölkerung zu haben, trat er an. ll

Viele Ägypter setzen tatsächlich ihre Hoffnungen auf den Militär. Nur sind es offensichtlich weniger, als die eigene Propaganda ihn glauben ließ. Unabhängige Umfragen vor der Wahl ergaben das Bild eines zutiefst gespaltenen Landes: Die einen halten Sisi für einen Erlöser, die anderen für einen Massenmörder, seit im Sommer 2013 rund tausend seiner Gegner getötet wurden. ll

 

Sisi will die Zeit auf ein autoritäres Ägypten wie vor 2011 zurückdrehen. Das wird schwieriger, als er wohl selbst glaubte: Trotz Repression und Propaganda kann er seine Macht nicht einfach zementieren. ll

Es kann gut sein, dass die offizielle Wahlbeteiligung am Ende auf mysteriöse Weise noch dramatisch ansteigt auf halbwegs vorzeigbare 40 Prozent. Der gestürzte Husni Mubarak hatte dank Wahlmanipulation auch immer beeindruckende Zustimmungswerte. ll

Doch auch ein nachträgliches Rechenkunstwerk könnte Sisis Debakel nun nicht mehr beschönigen. Im Gegenteil, angesichts der allzu offensichtlichen Wahlmisere käme es eher einer doppelten Blamage gleich. ll

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http://www.spiegel.de/politik/ausland/aegypten-sisi-blamiert-sich-schlechte-wahlbeteiligung-a-972101.html

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