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Noch hat Staatschef Al-Sissi alles unter Kontrolle

 

Festnahmen, Tränengas, Sperrgebiete: Ägyptens Regierung hat die angekündigten Proteste gegen das Regime mit allen Mitteln unterdrückt

. Doch die Unruhe im Land wächst.

Von

Martin Gehlen, Kairo

Mit einem Großaufgebot an Einsatzkräften hat das ägyptische Regime die angekündigten Demonstrationen gegen Staatschef Abdel Fattah al-Sissi weitgehend unterdrückt. An zahlreichen Stellen in Kairo versammelten sich am Montag jeweils einige Hundert Oppositionelle, die jedoch von der Polizei sofort mit Tränengas auseinandergetrieben wurden. “Wir fordern den Sturz des Regimes” und “Nieder mit der Militärherrschaft”, skandierten die Menschen, von denen zahlreiche verhaftet wurden. Auch in Alexandria und einigen kleineren Städten gingen Menschen auf die Straße.

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Zum zweiten Mal innerhalb von zehn Tagen hatten säkulare Aktivisten, oppositionelle Politiker und Menschenrechtler für den Nachmittag zu Demonstrationen gegen das Regime aufgerufen. Doch das Regime war gewarnt: Mehrere Versammlungsorte der Demonstranten wurden von Beamten abgeriegelt. Passanten, die durchkommen wollten, wurden kontrolliert und weggeschickt. Die im Stadtkern Kairos liegenden Syndikate der Journalisten und Ärzte – die selbst unter Hosni Mubarak als Treffpunkt für Demonstranten toleriert wurden – waren weitläufig abgeriegelt. Kampfflugzeuge donnerten im Tiefflug über die Wohnviertel.

Im Viertel Nahja in Giseh berichteten Demonstranten, sie hätten ihre Versammlung aus Angst vor einer Festnahme abgebrochen. Sie verließen den Stadtteil in kleinen Gruppen, um sich anderswo wieder zusammenzufinden. Einer Gruppe von 500 Demonstranten gelang es schließlich, sich am Mesaha-Platz zu versammeln. Nach zehn Minuten kamen Bereitschaftspolizisten und feuerten ohne Vorwarnung mit Tränengas und Schrot. Als die Demonstranten flüchteten, schütteten Al-Sissi-Anhänger von ihren Balkonen Wasser auf die Flüchtenden.

Die ägyptische Vereinigung der Journalisten berichtete, zwei Reporter seien in Gewahrsam genommen worden. Eine Mitarbeiterin der britischen BBC twitterte, ihrem Team seien Filmaufnahmen auf dem Tahrir-Platz verboten worden. Am Morgen war der Gründer der bekannten Menschenrechtsorganisation Kommission für Rechte und Freiheiten (ECRF) festgenommen worden. Auch in den Tagen vor den Protesten gab es in Kairo und anderen Teilen des Landes Festnahmen.

Im heutigen Ägypten zu demonstrieren, ist sehr riskant. Den Teilnehmern kann eine lange Haftstrafe drohen. Zudem macht die Polizei schnell von der Schusswaffe Gebrauch. Staatschef Al-Sissi weiß, dass der Unmut in der Bevölkerung wächst. Schon am 15. April hatten in zahlreichen Städten Tausende Menschen demonstriert und den Sturz des Regimes gefordert. Es war das bislang heftigste Aufbegehren der Ägypter seit dem Amtsantritt des Ex-Feldmarschalls.

Ausgelöst wurden die Demonstrationen unter dem Motto Ägypten steht nicht zum Verkauf durch die Entscheidung der Führung, Saudi-Arabien als Gegenleistung für seine milliardenschweren Finanzhilfen zwei unbewohnte Inseln vor der Sinaiküste abzutreten, deren Besitz seit Jahrzehnten zwischen den beiden arabischen Nachbarn strittig war. Al-Sissi-Kritiker sprechen von einem Ausverkauf ägyptischer Erde, von einem dubiosen Handel hinter verschlossenen Türen. Die Proteste fielen ausgerechnet auf den ägyptischen Gedenktag der sogenannten Befreiung des Sinai, der Tag, an dem die israelischen Truppen 1982 im Zuge des Camp-David-Vertrages von der Halbinsel abzogen.

Ägypten wird von beispielloser Dollarkrise geplagt

Die Unruhe im Volk entwickelt sich jedoch immer mehr zu einer generellen Kritik an dem Staatschef, der nicht nur die islamistische Muslimbruderschaft, sondern sämtliche säkularen Kritiker und Demokratieaktivisten drakonisch unterdrückt.

Auch mit der Wirtschaft geht es bergab. Der Tourismus ist zusammengebrochen, die ausländischen Investoren zögern. Vor allem dem Mittelstand, dessen Firmen die meisten Arbeitsplätze schaffen, ist die politische und soziale Lage am Nil zu unsicher. Bei der Erweiterung des Suezkanals 2015 wurden neun Milliarden Dollar in den Sand gesetzt, weil der Verkehr durch die künstliche Fahrrinne stagniert und die Megainvestition keine zusätzlichen Schiffe anlockt.

Obendrein plagt Ägypten eine bisher beispiellose Dollarkrise, die das einheimische Pfund allein im letzten Vierteljahr um rund 30 Prozent gegenüber den Devisenmärkten entwertete. Entsprechend rasant steigen jetzt die Preise, vor allem für importierte Lebensmittel, von denen Ägypten in hohem Maße abhängig ist. 

Die stark voranschreitende Inflation trifft vor allem die ärmeren und armen Volksschichten, zu denen mindestens die Hälfte der 90 Millionen Ägypter zählt. Umgekehrt verlassen gut ausgebildete junge Leute in Scharen ihre Heimat, weil sie für sich keine Zukunft mehr sehen.

Die Führung reagiert darauf zunehmend hilflos und nervös. Zweimal wandte sich Präsident Al-Sissi in den letzten Tagen an sein Volk und warnte vor “bösartigen Leuten in unseren eigenen Reihen”, die die nationale Sicherheit gefährdeten und Chaos sähen wollten.

zeit.de

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