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Außer Kontrolle: Flugsicherheit in Ägypten zeigt schwere Mängel

Wer in Ägypten mit dem Flugzeug reist, dem kann beim Anblick der Sicherheitskontrollen mulmig werden. Reisende erzählen von mangelhaften Maßnahmen an den Airports im Land: Geöffnete Wasserflaschen oder Glasbehälter können oft ohne Weiteres im Handgepäck an Bord genommen werden. Nicht alle, bei denen der Metalldetektor piept, werden abgetastet. “Jeder der will, kann etwas reinschmuggeln”, sagt ein internationaler Sicherheitsexperte.

Die Geschichten, die nach dem Absturz des in Ägypten gestarteten russischen Ferienfliegers über der Sinai-Halbinsel kursieren, werfen kein gutes Licht auf die Flugsicherheit in dem Land. Hinweise von Geheimdiensten machen eine Bombe an Bord mehr und mehr wahrscheinlich – möglicherweise ein Anschlag der Terrormiliz “Islamischer Staat”. Haben die dürftigen Kontrollen am Flughafen des Badeorts Scharm al-Scheich die Katastrophe mit 224 Toten begünstigt?

Leser haben erlebt, wie nachlässig es bei den Untersuchungen in Ägypten häufig zugeht

“Im April dieses Jahres konnte ich im Handgepäck zwei Dosen Coca-Cola light, eine 0,5-Liter-Flasche Wasser und ein Trinkpäckchen Apfelsaft im Rucksack mit an Bord nehmen, obwohl das Handgepäck nach dem ersten Check noch einmal durchleuchtet wurde. Als ich durch den Metalldetektor ging, piepste der. Die Dame, die eigentlich zum Abtasten der Frauen dort saß, hat mich einfach nur gelangweilt durchgewinkt und nicht eine einzige Sekunde weiter untersucht. Wenn ich eine Terroristin gewesen wäre, hätte ich alles mit an Bord nehmen können”, schreibt Anja Eichner.

“Ich kann mich nicht erinnern, dass in den letzten Jahren auch nur eine Person von uns ihr Handgepäck aufmachen musste – obwohl wir z.T. große Tauchlampen, Tablets, Laptops, Ladegeräte, Unterwasserkameras und große Getränkeflaschen dabei hatten”, berichtet Fred Hartmann, der regelmäßig nach Ägypten reist.

◾”Über die Sicherheitsvorkehrungen am Flughafen kann ich nur lachen. Jedes Mal bekommen wir mehrere Flaschen Wasser im Handgepäck durch die Kontrolle (also auf die gesamte Familie verteilt). Beim ersten Mal hatte ich eine Flasche schlicht vergessen, danach haben wir es drauf ankommen lassen, und es hat immer geklappt. Nie hat einer die bemerkt oder etwas gesagt”, schreibt Ingo B.

Am internationalen Flughafen in Kairo gibt es neben der ziemlich oberflächlichen Kontrolle am Eingang der Terminals eine zweite direkt am Gate. Ein Entwicklungshelfer erzählt, bei seinem Flug nach Uganda hätten viele Passagiere schon am Gate gesessen, bevor die Flughafenmitarbeiter überhaupt anwesend waren. Als diese später die Fluggäste gebeten hätten, den Bereich für die Kontrolle zu verlassen, seien etwa zehn Reisende sitzen geblieben. Sie konnten ohne den Check in die Maschine steigen.

Und ein Journalist berichtet, wie ein Polizist auf dem Kairoer Flughafen seine Dienstwaffe in der Toilette hinter sich auf eine Ablage gepackt habe, um sich zu waschen: “Als ob die wollen, dass sie jemand greift.”

Schlechte Ausbildung, schlechte Bezahlung

Stephan Roll, Ägypten-Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), sieht das größte Risiko beim Personal. Es sei vergleichsweise einfach, verbotene Gegenstände ins Flugzeug zu bekommen: “Wenn man will, findet man immer jemanden, den man schmieren kann”, sagt Roll – ob nun Arbeiter im Flughafengebäude, auf dem Rollfeld oder in der Gepäckverladung. Dies liege vor allem an der prekären wirtschaftlichen Situation in Ägypten und der schlechten Bezahlung von Angestellten und Sicherheitskräften.

Ähnlich äußert sich ein internationaler Sicherheitsexperte: Polizisten in Ägypten, die auch an Flughäfen eingesetzt werden, seien schlecht ausgebildet und ausgerüstet. Oft fehle es zudem an Disziplin. “Grundsätzlich sind es unmotivierte und schlecht geschulte Polizisten und Armeeangehörige, die sensible Objekte bewachen”, erklärt er.

Das nationale Luftfahrtministerium dagegen betont, die Airports im Land genügten internationalen Sicherheitsstandards, die regelmäßig überprüft würden. Das scheinen ausländische Fluggesellschaften anders zu sehen: KLM kündigte am Montag an, in Kairo eigenes Personal für Sicherheitschecks einzusetzen. Die Touristen, die in den letzten Tagen nach Großbritannien und Russland ausgeflogen wurden, durften nur mit Handgepäck reisen. Ihre Koffer werden separat mit Frachtflugzeugen von Egypt Air transportiert.

In Scharm al-Scheich scheinen seit dem Absturz die Behörden die Kontrollen verschärft zu haben: Einige Tage nach der Tragödie mussten Passagiere hier Schuhe und Gürtel ausziehen. Durchgelassen wurden die Reisenden erst, wenn der Metalldetektor stumm blieb. Ein Mitarbeiter tastete sie zusätzlich ab.

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