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Europas demokratische Glaubwürdigkeit nimmt Schaden

Demonstration in Berlin für die Freilassung des Aljazeera-Journalisten Ahmed Mansour

Die Festnahme des Aljazeera-Journalisten Mansur in Berlin zeigt einmal mehr: Die alteingesessenen Demokratien haben der Willkür in Ägypten nichts entgegenzusetzen. ll

Ein Kommentar von Martin Gehlen, Kairo

Im Rückblick ist es immer noch schwer zu glauben, wie haarsträubend die deutsche Diplomatie den Staatsbesuch des ägyptischen Diktators Abdel Fattah al-Sissi in Berlin verstolperte. Keine politische Konzession wurde dem unangenehmen Besucher vom Nil abgetrotzt, alle Bedenken unter dem Milliardengeschäft für den Siemens-Konzern begraben. ll  

Wenigstens konnten Parlamentspräsident Norbert Lammert und eine junge mutige Exilägypterin für einen Moment den Vorhang der Beschwichtigungen und Schönfärbereien zerreißen. Ansonsten hätte man glauben können, Deutschland habe an der neuen Tyrannei in Kairo nichts mehr auszusetzen. In dieses dubiose Bild passt auch die spektakuläre Festnahme des Aljazeera-Journalisten Ahmed Mansur am Sonnabend in Berlin-Tegel; Mansur gehört zu den bekanntesten Journalisten der arabischen Welt. ll

Die deutsche Polizei hatte auf Drängen Ägyptens den 52-Jährigen festgenommen, als er nach Katar zurückfliegen wollte; nach Angaben der Beamten lag ein internationaler Haftbefehl gegen Mansur vor. In Ägypten war er voriges Jahr in Abwesenheit zu 15 Jahren Haft verurteilt worden, weil er angeblich im April 2011 auf dem Tahrir-Platz an der Folter eines Anwalts beteiligt gewesen sein soll – eine Anschuldigung, die Mansur stets als “absurd” zurückgewiesen hat. Auch der TV-Sender erklärte jetzt auf seiner Website, die Anschuldigungen seien falsch, und forderte die Freilassung seines Mitarbeiters. Die Regierung in Kairo betrachtet Aljazeera als Sprachrohr der in Ägypten mittlerweile als Terrororganisation verbotenen Muslimbrüder, der Sender gilt als scharfer Kritiker von Präsident Sissi. ll

Zwar werden die deutschen Behörden den Journalisten am Ende wohl nicht an die Willkürjustiz Ägyptens ausliefern. Trotzdem stellen solche Vorgänge den angeblich so wertefesten und alteingesessenen Demokratien des Alten Kontinents kein gutes Zeugnis aus. ll

Den Anfang machte Frankreich, das Mutterland der Menschen- und Bürgerrechte, als es sich für ein Fünf-Milliarden-Waffengeschäft den Sissi-Besuch in Paris abhandeln ließ. Deutschland folgte mit dem Acht-Milliarden-Vertrag für neue Kraftwerke. Einen Tag nach dem endgültigen Todesurteil gegen den früheren Präsidenten Mohammed Mursi gab dann auch London seine offizielle Einladung an Sissi zu Protokoll. ll

Denn bei den Supereinkäufen, die der alerte Herrscher vom Nil mit den Kreditkarten seiner Golf-Gönner tätigen darf, möchte keiner leer ausgehen. Die demokratische Glaubwürdigkeit Europas aber wird beschädigt, wie die ägyptischen Aktivisten völlig zu Recht und verbittert beklagen. Was nützen alle hochfahrenden Menschenrechtsproteste, wenn man am Ende sämtliche Bedenken fahren lässt, sobald irgendwo ein paar Milliarden winken. ll

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